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Bernd Zimmer | Zweite Natur

Stefan Scherer | Kunst und Texte | Bernd Zimmer – Zweite Natur | 20.04.2013 – AK68 Galerie im Ganserhaus

 

Diese Rede zu schreiben ist mir, so paradox das klingt ebenso schwer, wie leicht gefallen. Schwer, weil schon so viel Kluges über Bernd Zimmer geschrieben und aus weit berufeneren Mündern gesagt wurde – ich kann mich ja hier nicht mit einer schlichten Zitatensammlung hören lassen – und leicht, weil mein Malerherz in dieser Ausstellung so schlägt, als würde ich nach Hause kommen mit all den, mich künstlerisch prägenden Erinnerungen und einem neugierigen Staunen, wie sehr sich alles verändert und entwickelt hat zu etwas, dass so frisch ist, als würde Bernd Zimmer es morgen malen und wie präsent und damit zeitlos seine Holzschnitte auf mich wirken.

 

Dazu sollte man wissen: Bernd Zimmer ist spätestens seit den 80er Jahren im Umfeld von Rainer Fetting, Helmut Middendorf und Salome, als die sogenannten „Jungen Wilden“ und ihrer, wie sie es nannten „heftigen Malerei“ eine Kategorie in der Deutschen bzw. Europäischen Malerei. Und wir haben damals natürlich alle hingeguckt – und so gerät man oder wenigstens ich – bevor man sich`s versieht mit Bernd Zimmers Zeitgenossenschaft knietief in die Berliner Szene der 80er und in einer für unsere heutigen Verhältnisse des „anything goes“ kaum noch vorstellbaren, politischen, kulturellen und künstlerischen Aufbruchsstimmung. Das kann man aber alles wunderbar nachlesen in den über 50 Katalogen und Büchern, die über Zimmers Werk und Leben existieren.

 

Besonders empfehlen würde ich aber die Gespräche des Kunsthistorikers Walter Grasskamp mit Bernd Zimmer aus dem Jahre 2008, die ich sehr spannend und aufschlussreich fand und die jetzt in unserer Bibliothek als Buch zu haben sind. Dort erfuhr ich auch, dass wir diese Ausstellung unter anderem dem Umstand zu verdanken haben, dass Bernd Zimmer nach seiner Berliner Zeit und seinem Stipendium in der Villa Massimo in Rom 1984 eigentlich auf dem Weg nach New York war aber u. a. aus familiären Gründen, quasi kurz vorher nach Polling in Oberbayern abbog und wir vom AK68 uns deswegen heute besonders glücklich schätzen können, weil wir uns den Besuch in einem New Yorker Atelier natürlich nie hätten leisten können.

 

In Polling begann Zimmer jetzt in großem Umfang Druckgraphiken zu machen. Und ich erlaube mir mal aus dem Grasskamp-Zimmer-Gespräch zu zitieren, weil es so aufschlussreich ist. Auf die Frage Grasskamps, wie es denn zu der Entscheidung für die Druckgraphik gekommen sei antwortet Bernd Zimmer. „1985 malte ich seit fast zehn Jahren Bilder. Ich machte Gouachen und Zeichnungen, das wollte ich um eine Dimension erweitern. Linolschnitt und Lithographie hatte ich ausprobiert und dachte nun, dass Holzschnitt eine Technik ist, die meiner Art der Malerei am nächsten kommen könnte. Ich schätzte die Holzschnitte von Munch, kannte die Holzschnitte von Baselitz und Penk. Ich hab es mit Messern und Schnitzwerkzeugen versucht aber es wurde sehr eckig und kantig. Dann griff ich zur Motorsäge und die runden und fließenden Schnitte der Motorsäge funktionierten sehr gut.Der einfache Zugang zur Technik des Holzschnitts hat mich überzeugt. (…) Beim Holzschnitt lag alles in meiner Hand – vom Schneiden bis zum Drucken. Man sieht sehr rasch und ohne fremde Hilfe ein Resultat.“

 

Und wir haben nun das Glück einen großen und wichtigen Teil dieser Resultate aus den letzten zwei Jahrzehnten im Ganserhaus zeigen können, wie die Serien: Wald-Spiegel-Wasser, die Mappe Lenz, die Werkgruppe Waldspiegel-See, die Mappe Erdschnitt und das wunderbar haptisch und visuell zu erfahrene Künstlerbuch: Waldspiegel-Wasser. Man riecht sogar noch die Druckerfarbe. Und wichtig ist auch zu wissen, dass es sich bei vielen Holzschnitten der Werkgruppen, die in dieser Ausstellung zu sehen sind, trotz des Druckverfahrens um Unikate handelt. Bernd Zimmer arbeitet nämlich größtenteils in der Technik der verlorenen Form und verzichtet damit bewusst auf die Möglichkeit einer Auflagenproduktion. Und so steht es auch im Katalog: „Bernd Zimmer Holzschnitte Werkverzeichnis 2001 – 2012“ viel ausführlicher und deutlicher, als ich es hier erklären könnte.

 

Erklären aber kann ich aber vielleicht die Hängung und versuche mal, – wie das unser Stammpublikum vielleicht schon von mir kennt – eine Art virtuellen Rundgang, bevor sie sich real und augenscheinlich in den Kosmos der Zimmerschen Holzschnitte begeben.

 

Es beginnt im Eingangsbereich mit den Wald-Spiegel-Wassern 1 – 4. Das sind vier in Rottönen gehaltene Farbholzschnitte, sich im See spiegelnder Wälder und geht weiter – hier in diesem Raum – mit der Werkgruppe „Spiegelwasser“ mit zwei Unikaten links, denen hier rechts gegenüber fünf weitere Drucken hängen. Im Katalog fand ich zu den Wald-Spiegel-Wassern und Spiegel-Wassern folgende Geschichte: „Seit 2007 unterhält Bernd Zimmer ein Teilzeitatelier am Warthsee in Brandenburg, weit entfernt von den oberbayrischen Ateliers in Polling und Oberhausen(…). In der Fontane-Landschaft der Uckermark, mit ihren großen und kleinen Seen und den ausgedehnten Wäldern in denen Zimmer sich fontanemässig auch zu Fuß bewegte hat er eben dieses Motiv gefunden: die Spiegelung der festen Natur in der Flüssigen, das Schimmern der Bäume im See und Glimmern des sonnengefärbten Himmels im unruhigen Wasserspiegel.“

 

Diese Glimmern und Glühen beschäftig Zimmer auch in seinen Wüstenbildern. Im hinteren Raum unseres Erdgeschoss sieht man zunächst das durch eine Namibiareise inspirierte Nachtbild „Namib-Düne“ und an der Stirnseite das leuchtend gelbe „Namib II“. Bernd Zimmer selbst formuliert diese Wüstenerfahrung sehr poetisch: „Die Sonne ist bereits verschwunden, die Erde hat sich gedreht. Die Berge, die Wüste, die Dünen, alles glüht nach. Es ist, als nähme der Sand das Licht auf, speicherte es, um es erst wieder abzugeben, wenn die Sonne untergegangen ist.“

 

Dazwischen hängen, d.h. es stehen, wie eine Zäsur in der ganzen Hängung – zwei große, extrem hochformatige, auf Leinwand gedruckte Holzschnitte. Es sind zwei von Zimmers Talbildern.Mitte der neunziger hatte er eine Reise nach Arizona unternommen. Seit Jahren wollte er mit seinen Bildern in die Vertikale, doch es klappte selten, beschreibt Zimmer die Entstehung dieser so ungewöhnlichen Hochformate. Und weiter sagt Zimmer dazu: „Mit den surrealen Talbildern ist es gelungen. Hohe Farbflächen leuchten als Licht zwischen Felstürmen.“

 

Gegenüber hängt die Mappe: Himmel-Tal-Tiki-Wüste, eine Folge von 8 Farbholzschnitten. Tiki musste ich erst mal nachgucken. Tiki ist eine kleine Ahnenkultfigur aus der Südsee. Die Südsee hatte Zimmer nicht zuletzt wegen seiner Bewunderung für Paul Gauguin bereist … und auf dem dritten Holzschnitt der Mappe von links, kann man einen kleinen Tiki rechts im unteren Teil entdecken.

 

Im nächsten Raum folgt die Mappe Lenz. Georg Büchners Novelle “Lenz” beschreibt 22 Tage im Leben des geisteskranken “ Sturm und Drang“-Dichters Lenz. Lenz bekommt durch viele Begebenheiten mit, wie klein und hilflos er ist, angesichts der großen, allumfassenden Natur, in der er sich befindet.

Eine, wie ich finde thematisch bezeichnende Wahl des naturinspirierten, abstrakten Landschaftsmalers Bernd Zimmer, der aber ausgerechnet hier, quasi kontrapunktisch figürlich wird und dabei so expressionistisch, als würden Heckel und Kirchner dazwischenflüstern.

 

Im ersten Stock, erscheint dann gleich als erstes ein großformatiges Unikat aus der Serie“ Wald-Spiegel-See“ und zwei weitere Waldspiegelsee-Drucke. Alle drei sind Holzschnittdrucke auf Leinwand und Zimmer variiert hier die Komposition der Wasseroberfläche vom unteren Viertel in die Mitte, welche das Hochformat jetzt in zwei Querformate teilt und die ganze Sache dadurch geometrisch abstrahiert.

 

Gegenüber hängen die Vorzugsausgaben zum Werkverzeichnis, d.h. die hier zu sehenden Blätter liegen als signierter Druck bzw. Vorzugsausgabe einigen Katalogen bei. Und ganz rechts, schon jenseits der Galerie schaut das Porträt Georg Büchners auf die Lenz-Mappe herunter.

 

Die folgende Werkgruppe, der der ganze nächste Raum gehört sind die, im Anschluss an eine 1993 unternommene Reise durch die lybische Wüste geschaffenen „Erdschnitte“. Und weil es sprachlich so sinnbildlich und authentischer nicht zu haben ist, gebe ich gerne wieder, wie Bernd Zimmer selbst die Arbeit an seinen Erdschnitten beschrieb: „Untergrund, Erd-Schnitt – ausgetrocknet, sonnenverbrannt, verglüht, dem Chaos überlassen: die Sahara. Rötlich, rotbraun, Gelb erscheint das Sandmeer, die äolisch transportierten Sande verdecken schneegleich riesige Gebiete, vereinheitlichen den Blick. Noch vor geraumer Zeit blühte es, in der Tiefe ist es feucht, riesige Wasserblasen und Gebirgsstöcke sind nur verweht (…) Felsen, Kiesel, Knochen verwittern im Dunkel der Erde. Unseren Blicken entzogen schichtet sich etwas unter unseren Füßen, dass wir kaum kennen und nicht sehen. Wir müssen graben, um uns ein Bild zu machen“…und wir müssen im Rundgang jetzt nur zwei, drei Schritte gehen zu den, im Durchgang hängenden, zwei Unikaten der Werkgruppe „Spiegel-Wasser“ und dem gegenüberplatzierten, den Raum jetzt grün ausleuchtenden Holzschnitt aus der Serie „Im Spiegel“ an dem man ganz wunderbar erkennen kann, was Zimmer meint, wenn er von den weichen Schnitten der Motorsäge spricht, angesichts dieser, sich durch den Bildraum schlängelnden, superabstrakten Vertikalen.

 

Und „Alles fließt“ so der Titel der zehn folgenden Blätter, die jetzt als vornehmlich blaues Band und in vertikalen Schlieren in unser Renaissance-Wohnzimmer strömen. Im kleinen Nebenraum schließlich kann man die fast komplette, im Künstlerbuch vorhandene Werkgruppe der „Wald-Spiegel-Wasser“ als Einzelblätter in Museumsperspektive erleben und gern hätten wir dieses wunderbare Künstlerbuch mit den Originaldrucken so schön passend dazugelegt, – Dieses Buch ist ein, mit fast allen Sinnen erfahrbares Ereignis, visuell sowieso, aber auch haptisch durch die im Druck und Druckerfarbe aufgerauten Seiten, den Geruch der Farbe und selbst das Knistern beim Umblättern macht das Buch ganz unglaublich präsent. Leider aber muss unser Galeriedienst das teure Stück im Auge behalten und so bekommt es jetzt gleich hier einen sicheren Ehrenplatz.

 

Am Ende des Rundgangs möchte ich Ihnen noch gerne unseren Kinokeller empfehlen mit einem filmischen Essay des bayrischen Rundfunks über Malen, Segeln und Kunstmachen im wunderbar reichen Malerleben des Bernd Zimmer und am Ende meiner Einführung würde ich ihnen gerne – und versprochen ganz kurz – meine persönliche Erfahrungen mit Bernd Zimmer, seinem Werk und dieser Ausstellung schildern.

 

Bei unserem Besuch in seinem Atelier sah ich vor allem das, was ich an Zimmer schon gut kannte und schätzte; seine heftigen bis fließenden und so farbstarken Großformate und ich gebe zu, dass das einfach mein Wetter ist.

 

Ich bewunderte das schon in den 80er Jahren und fand diese Berliner Szene großartig und besonders Bernd Zimmer, der sich damals gegen den Trend und auf riesigen Leinwänden sein Alleinstellungsmerkmal „Landschaft“ eroberte. Und das so erfolgreich und nachhaltig, dass die meisten Bundesbürger und vielleicht sogar einige hier Anwesende ihn kennen ohne es wirklich zu wissen. Wer sich nämlich mal aufmerksam die Interviews mit Frau Merkel im Kanzleramt ansieht wird bemerken, dass das meistens vor einem großformatigen blauen Bild geschieht. Es ist Bernd Zimmers „Nach dem großen Knall“ und es war entweder der magische Einfluss des Gemäldes oder die Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet vor diesem Bild die Kanzlerin ihre Atompolitik revidieren musste.

 

Aber zurück zu den Holzschnitten und unserem Besuch. Wir sahen die Druckstöcke, teils einfache Pressspanplatten und eine riesige Druckmaschine die aussah, als könnte man mit ihr auch die Straße teeren. Wir kannten die Drucke ja teils schon aus dem Katalog. Im Original zeigte sich uns jetzt aber die ganze Präsenz dieser flächig-leuchtenden Druckfarben in einem so trennscharfen Nebeneinander von Form und Farbe, wie es in der Malerei kaum herzustellen ist. Jetzt waren wir nur noch gespannt, was das Ganserhaus dazu sagt. Und das ist meine eigentliche Erfahrung mit Zimmers Werk in unserer Galerie.Nachdem Joe und Gesa von Team „planparallel“ die 95 Holzschnitte gehängt und ich das Ergebnis zum ersten Mal sah, war ich erstaunt, wie unglaublich homogen, ich könnte auch sagen harmonisch oder einfach schön mir die ganze Ausstellung jetzt erschien. Und als ich ein paarmal durchgegangen war, erschloss sich mir langsam, wie viel das auch mit dem Ganserhaus selbst zu tun hat. Vielleicht spielt es ein Rolle, dass die Erbauung des Ganserhauses im sechzehnten Jahrhundert so ungefähr zur selben Zeit stattfand, wie die Erneuerung oder Emanzipation des Holzschnitts zur Kunstform durch Dürer und Cranach und so ein gemeinsamer Hauch von Renaissance jetzt diese Drucktechnik und das Ganserhaus verbindet. Wichtiger noch aber waren für mich vor allem meine sinnlichen Erlebnisse in dieser Schau, als ich Zimmers Holzschnitten folgte, wie sie sich durch das Haus arbeiteten. Schon im Eingangsbereich erschien es mir, als würden die Deckenbalken in die darunter hängenden Bilder fließen, allein weil sie sich in Form und Farbe so ähneln. Auch bei den Tal-Bildern erging es mir so und weil bei mir da mal leicht die Post abgeht, entwickelte ich auch in den anderen Räumen die Vorstellung, man müsse nur den Putz entfernen oder die Bodenbeläge und fände dieselben abstrakten Strukturen vor, wie in Zimmers Holzschnitten. Und mir ist auch jetzt noch so und ich genieße das sehr, als stelle sich das Ganserhaus Bernd Zimmers Holzschnitten als Klangkörper zur Verfügung, die jetzt zusammen und gleichsam aus demselben Stoff so etwas wie eine harmonische Struktur bilden, eine farbige Melodie, einen Song komponiert aus Zimmers einzigartigen, abstrakt-epischen Landschaften.

 

Stefan Scherer | 20.04. 2013

 

 

 

 

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